Die Schat­ten­sei­te der Digi­ta­li­sie­rung: So stark belas­ten Net­flix-Schau­en, Goo­geln und Co. die Umwelt wirklich.

Bin­ge-Wat­ching, Vide­os strea­men und goo­geln: Die­se Hand­lun­gen sind fest ver­an­kert in unse­rem All­tag und Pro­duk­te der Glo­ba­li­sie­rung, die wir heu­te nicht mehr mis­sen wol­len. Zur all­täg­li­chen Nut­zung von Diens­ten wie Net­flix gesellt sich die, durch die Coro­na-Pan­de­mie, deut­lich ver­mehr­te Nut­zung von Video­kon­fe­ren­zen. Wie sehr jedoch der gesam­te digi­ta­le Kon­sum das Kli­ma belas­tet, rückt trotz Aktio­nen wie „Fri­days for Future“ nur lang­sam in das öffent­li­che Bewusstsein.

Die Schattenseite der Digitalisierung

„Strea­ming ist das neue Flie­gen“, titel­te die Neue Zür­cher Zei­tung am 16.04.2019. Neben dem bereits exis­tie­ren­den Begriff Flug­scham, stand damit der Begriff „Strea­ming-Scham“ im Raum. Vier Pro­zent des welt­wei­ten CO2-Aus­sto­ßes sind auf die Digi­ta­li­sie­rung zurück­zu­füh­ren, wie die fran­zö­si­sche Denk­fa­brik „The Shift Pro­ject“ her­aus­fand. Damit über­holt sie den zivi­len Flug­ver­kehr, wel­cher nur 2,8 Pro­zent zu ver­ant­wor­ten hat. Ver­an­schau­lich inter­pre­tiert hat die Zah­len Jens Grö­ge vom Öko-Insti­tut: „Wer vier Stun­den am Tag streamt, emit­tiert 62 Kilo­gramm CO2 im Jahr in die Atmo­sphä­re. Das ent­spricht etwa einer Fahrt mit dem Auto von Frank­furt nach Hamburg.“

Das Strea­ming stellt somit eine alles ande­re als zu ver­nach­läs­si­gen­de Belas­tung für das Kli­ma dar. Merk­wür­dig jedoch, dass nie­mand in Zei­ten, in denen jede Auto­fahrt und jede Plas­tik­tü­te kri­tisch beäugt wer­den, dar­über spricht.

Fehlt die Verhältnismäßigkeit?

Doch bei der Debat­te stößt man auch auf Kritiker*innen. Lorenz Hil­ty, Infor­ma­tik­pro­fes­sor und zugleich For­schungs­lei­ter an der Uni­ver­si­tät Zürich macht dar­auf auf­merk­sam, wie wich­tig es ist, fair zu ver­glei­chen. In einem Inter­view mit dem Tages-Anzei­ger kri­ti­siert er „The Shift Pro­ject“ und erklärt, dass die Kli­ma­wirk­sam­keit der in gro­ßer Höhe aus­ge­sto­ße­nen Gase nicht berück­sich­tigt wur­de. Des Wei­te­ren behaup­tet er, die Aus­sa­ge der Neu­en Zür­cher Zei­tung sei irre­füh­rend, da anders als bei der Stu­die zur öko­lo­gi­schen Ver­träg­lich­keit des Flie­gens auch die Emis­sio­nen bei der Her­stel­lung der Gerä­te berück­sich­tigt wurde. 

Nichts­des­to­trotz ist er der Mei­nung, man müs­se ein Bewusst­sein für die­ses The­ma schaf­fen. „In der Sum­me hat das Strea­ming einen rele­van­ten Effekt. Er kommt dadurch zustan­de, dass sehr viel gestreamt wird, allein auf You­Tube sind es eine Mil­li­ar­de Stun­den pro Tag“, erklärt Lorenz Hilty.

Streaming umweltfreundlicher gestalten

Die Fra­ge ist also, auf wel­che Wei­se die Umwelt­wir­kun­gen des Video­strea­mings redu­ziert wer­den kön­nen, ohne direkt auf die­ses zu ver­zich­ten. Sebas­ti­an Klöß, Refe­rent für Con­su­mer Tech­no­lo­gy bei Bit­kom, dem Bran­chen­ver­band der deut­schen Infor­ma­ti­ons- und Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­bran­che, macht auf die unter­schied­li­chen Umwelt­wir­kun­gen abhän­gig vom End­ge­rät aufmerksam.

So benö­tigt Video­strea­ming auf dem Smart­phone oder Tablet in Stan­dart­auf­lö­sung pro Stun­de rund 70 Watt­stun­den an Ener­gie, was einem CO2-Aus­stoß von rund 35 Gramm entspricht.

Schaut man sich hin­ge­gen ein Video in 8K-Qua­li­tät auf einem 65 Zoll gro­ßen Fern­se­her an, so ver­ur­sacht dies pro Stun­de 1860 Watt­stun­den an Ener­gie­be­darf, was in 880 Gramm aus­ge­sto­ße­nem CO2 resul­tiert. Zum Ver­gleich: Bei einer einen Kilo­me­ter lan­gen Fahrt mit einem durch­schnitt­li­chen PKW wird vier­mal weni­ger CO2 emit­tiert. „Ent­schei­dend ist auch, woher die Ener­gie kommt, mit der End­ge­rä­te und Rechen­zen­tren betrie­ben wer­den“, betont Sebas­ti­an Klöß. „Wo immer mög­lich, soll­te Strom aus erneu­er­ba­ren Ener­gie­quel­len genutzt wer­den. Mit Strom aus Son­ne oder Wind kann jeder Haus­halt nahe­zu kli­ma­neu­tral im Netz sur­fen oder streamen.“

Nutzungsverhalten reflektieren

Wer sei­nen CO2-Fuß­ab­druck mit Blick aufs Strea­ming redu­zie­ren möch­te, muss also an ver­schie­de­nen Punk­ten anset­zen. Zum einen kann dar­auf Acht gege­ben wer­den, dass ein ener­gie­ef­fi­zi­en­tes und spar­sa­me­res End­ge­rät aus­ge­wählt wird. 

Zum ande­ren soll­te man sein eige­nes Nut­zungs­ver­hal­ten reflek­tie­ren und hin­ter­fra­gen: Muss die Auto-Play-Funk­ti­on an sein und damit nach Ende des geguck­ten Vide­os dafür sor­gen, dass auto­ma­tisch das nächs­te Video gestreamt wird? Müs­sen bei­de mei­ne Gerä­te par­al­lel genutzt wer­den oder kann auf das eine ver­zich­tet wer­den? Ist es not­wen­dig, die Serie in HD-Qua­li­tät zu gucken, wenn SD-Qua­li­tät auch völ­lig genügt? 

In ihrem 2019 ver­öf­fent­lich­ten Bericht „Lean ICT – Towards Digi­tal Sobrie­ty” prä­gen die Forscher*innen hin­ter „The Shift Pro­ject“ dafür den Begriff „digi­tal-sobrie­ty“: Erst Nach­den­ken, dann googeln.

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